Warum der Bitcoin-Superzyklus bisher nur ein Narrativ ist

Warum der Bitcoin-Superzyklus bisher nur ein Narrativ ist
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Der Begriff „Superzyklus“ war in den letzten Jahren sehr präsent. Gemeint war die Vorstellung, dass Bitcoin aufgrund institutioneller Nachfrage, ETF-Zuflüssen und wachsender Akzeptanz seine klassischen Bärenmärkte hinter sich lässt. Ein Markt, der fortan nur noch steigt – ohne große Rücksetzer, ohne lange Seitwärtsphasen, ohne zyklische Erschöpfung.

Doch jetzt, 18–19 Monate nach dem Halving, zeigt sich ein anderes Bild. Eines, das näher am traditionellen Bitcoin-Zyklus liegt als am Superzyklus. Und das ist kein Zufall.


1. Der klassische Bitcoin-Zyklus – und wo wir stehen

Bis heute hat jeder Zyklus denselben Aufbau gezeigt:

  • Monate 1–16: Aufwärtsphase
  • Monate 17–19: strukturelles Hoch
  • Monate 18–21: erste deutliche Korrektur
  • Monate 22–30: zähe Seitwärts-/Abwärtsphase
  • Monate 28–30: zweiter Abverkauf
  • Monate 30–36: Bildung eines neuen Bodens

Der aktuelle Zyklus verhält sich bisher exakt nach diesem Muster.
Das strukturelle Hoch fiel wieder in den Bereich Monat 17–19.
Kurz danach folgte der erste größere Rückgang.
Kein Bruch mit der Vergangenheit, kein Superzyklus, kein durchgehender Kaufdruck.

Der Markt verhält sich wie ein normaler Markt – nicht wie ein Narrativ.


2. Warum der Superzyklus ein gutes Storytelling war, aber keine Theorie

Die Idee des Superzyklus beruhte auf drei Annahmen:

  1. Institutionen kaufen dauerhaft.
  2. ETFs sorgen für kontinuierliche Nachfrage.
  3. Bitcoin sei inzwischen „zyklusresistent“.

Alle drei Annahmen ignorieren grundlegende Marktmechanik:

  • Institutionen rebalancieren.
  • ETFs kennen Zuflüsse und Abflüsse.
  • Liquidität bewegt sich in Wellen, nicht in Linien.
  • Auch große Marktteilnehmer reduzieren Risiko.

Mit anderen Worten: Marktzyklen verschwinden nicht durch Hoffnung oder neue Produkte.
Sie verschwinden nur, wenn sich menschliche Psychologie ändern würde – und das tut sie nicht.


3. Drei typische Reaktionsgruppen – und was sie über den Markt aussagen

Bei öffentlichen Diskussionen über Zyklusmechanik oder mögliche tiefere Kurse begegnet man fast immer denselben drei Reaktionsgruppen. Die Beispiele sind verfremdet und allgemein gehalten, um keinerlei Rückschlüsse auf reale Kommentare zu ermöglichen.

Wichtig: Ich habe selbst früher zur ersten Gruppe gehört. Genau deshalb erkenne ich diese Muster heute so deutlich.


Gruppe 1: Die Leugner (Abwehrreflexe)

Typische Antworten klingen oft so:

  • „Das ist absoluter Unsinn.“
  • „Bitcoin fällt nie wieder auf solche Niveaus.“
  • „Diesmal ist es anders.“

Das sind emotionale Reflexe, keine Analysen.
Sie entstehen meistens dann, wenn jemand stark investiert ist und ein mögliches Abwärts-Szenario nicht akzeptieren möchte.

Diese Reaktionen sind kein Zeichen für ein neues Paradigma – im Gegenteil: Sie sind ein wiederkehrendes Muster in jeder späten Zyklusphase.


Gruppe 2: Die Realisten (erfahrene Marktteilnehmer)

Diese Stimmen sind souveräner und gelassener:

  • „Das klingt plausibel.“
  • „Tiefere Kurse sind möglich.“
  • „Das Muster hat sich bisher immer wiederholt.“

Menschen in dieser Gruppe haben häufig schon mehrere Zyklen erlebt.
Sie wissen, wie typisch die Bewegungen nach einem strukturellen Hoch sind:
hohe Volatilität, Korrekturen, zähe Seitwärtsphasen und fehlende Trendrichtung.


Gruppe 3: Die Übertreiber nach unten (Perma-Bären)

Diese Kommentare springen direkt ins maximale Negativszenario:

  • „Es geht auf historische Tiefstände.“
  • „Der Markt kapituliert komplett.“

Sie sind das spiegelverkehrte Gegenstück der Leugner: genauso emotional, nur in die andere Richtung.
Auch sie tauchen in jedem Zyklus auf und signalisieren meist, dass die Stimmung kippt, aber noch nicht am Boden ist.


4. Warum viele so reagieren – der Effekt des schweren Rucksacks

Die Psychologie hinter diesen Reaktionen lässt sich gut mit einem einfachen Bild erklären.

Wer stark investiert ist, trägt einen vollen Rucksack. Je voller dieser Rucksack ist, desto schwerer fällt es:

  • nüchtern zu bleiben
  • gegenteilige Informationen anzunehmen
  • alternative Szenarien zuzulassen
  • langfristig zu denken
  • Emotionen von Entscheidungen zu trennen

Niemand trägt seinen Rucksack gern monatelang, um dann das Gefühl zu bekommen, der Weg führt doch noch einmal bergab. Entsprechend emotional reagieren viele Anleger in dieser Phase.

Ich persönlich gehe derzeit lieber mit einem leichteren Rucksack weiter – nicht aus Pessimismus, sondern aus Flexibilität. Ein leichter Rucksack schafft Platz für zukünftige Käufe, falls der Markt in typische zyklische Kaufzonen zurückkehrt.

Am Ende muss jeder selbst entscheiden, wie viel Gewicht er tragen möchte.


5. Warum ich im kommenden Jahr mit weiteren Rückgängen rechne

Meine Erwartung basiert auf der Struktur, die in allen bisherigen Halving-Zyklen sichtbar war:

  1. Das Hoch kommt typischerweise zwischen Monat 17 und 19.
  2. Direkt danach beginnt die erste größere Korrektur.
  3. Die Monate 18–21 waren historisch nie stabil.
  4. Die Monate 22–30 sind fast immer zäh, richtungslos und von kurzen Rallys geprägt, die wieder abverkauft werden.
  5. Gegen Monat 28–30 folgte in jedem Zyklus ein zweiter, oft tieferer Rücksetzer.
  6. Erst danach beginnt Smart Money langsam zu akkumulieren.

Deshalb gehe ich davon aus:

  • im neuen Jahr weiter fallende Kurse
  • anschließend eine lange, zähe Seitwärtsphase
  • zwischenzeitliche Erholungen, die wieder abgefangen werden
  • erneute Rücksetzer
  • und erst gegen Ende des kommenden Jahres die Rückkehr von institutioneller Akkumulation

Bislang verhält sich der Markt millimetergenau nach diesem Muster.


6. Warum „liebe Influencer“ das Superzyklus-Narrativ verstärken

Ein weiterer Punkt, der selten angesprochen wird: Das Superzyklus-Narrativ ist nicht nur ein finanzielles Narrativ, sondern auch ein Social-Media-Narrativ. Plattformen belohnen einfache, optimistische Botschaften stärker als differenzierte Analysen.

Viele Influencer – liebe Influencer – stehen vor einer klaren strukturellen Entscheidung:

  • kommuniziere nüchtern, zyklisch, vorsichtig
    → weniger Reichweite, weniger Zustimmung, mehr Gegenwind

oder

  • kommuniziere bullish, einfach, motivierend
    → mehr Reichweite, mehr Engagement, mehr Gruppenzugehörigkeit

Die Plattformmechanik sorgt dafür, dass optimistische Botschaften verstärkt werden. Vorsicht oder Skepsis erzeugen dagegen Abwehrreflexe. Entsprechend wird das Superzyklus-Narrativ länger am Leben gehalten, als die Marktdaten es rechtfertigen.

Das ist keine Frage von Absicht oder Manipulation – es ist schlicht die Funktionsweise sozialer Netzwerke.


Fazit

Der Superzyklus ist nicht gescheitert – er hat sich schlicht nie gezeigt.
Bis heute folgt der Markt derselben Struktur wie in jedem vorherigen Halving-Zyklus: Hochpunkt, Abkühlung, zähe Seitwärtsphase, zweiter Rücksetzer und spätere Bodenbildung.

Nicht pessimistisch, nicht euphorisch – einfach zyklisch.

Geduld schlägt Hoffnung.
Und die größten Chancen entstehen nie am Hochpunkt, sondern im Nebel danach.