Vom Schaufensterzettel zur MidPrice-Order: Die kurze Geschichte des modernen Börsenhandels

Vom Schaufensterzettel zur MidPrice-Order: Die kurze Geschichte des modernen Börsenhandels
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Die jüngere Geschichte des Börsenhandels in Deutschland

Der Börsenhandel hat sich in Deutschland innerhalb von nur vier Jahrzehnten radikal verändert. Viele jüngere Anleger können sich heute kaum vorstellen, wie kompliziert, teuer und langsam die Börse früher war. Wer vor 30 oder 40 Jahren Aktien gekauft hat, bewegte sich in einer völlig anderen Welt als wir heute – ohne Smartphone, ohne Echtzeitkurse, ohne algorithmische Ordertypen.

Dieser Artikel zeigt die Entwicklung aus deutscher Sicht: vom Schaufenster-Kurszettel bis zur modernen MidPrice-Order in der Trading-App.


1. Die Schaufenster-Ära (1970er–1990er)

So hat Opa gehandelt.

  • Die Bankfiliale war der einzige Weg zur Börse.
  • Im Schaufenster der Volksbank oder Sparkasse hingen ausgedruckte Kurslisten – oft mit den Schlusskursen vom Vortag.
  • Wer kaufen wollte, zog eine Nummer, wartete, ging in das Büro des Beraters und nannte seine Order.
  • Der Bankmitarbeiter rief an der Börse an oder schickte ein Fax.
  • Die Ausführung kam später per Post.
  • Gebühren: häufig 50–150 D-Mark pro Order.

Realtime-Kurse existierten praktisch nicht. Börse war ein halber Behördengang.


2. Telefon- und Faxhandel (1980er–1990er)

Es wurde moderner – aber nur im Vergleich zu vorher.

  • Anleger konnten ihre Orders telefonisch aufgeben.
  • Die Bankfiliale nutzte Faxgeräte, um die Order zur Börse weiterzuleiten.
  • Preisänderungen während des Telefonats waren normal, aber nicht kontrollierbar.
  • Kursinformationen kamen aus der Tageszeitung oder aus Börsen-Sendungen im Fernsehen.

Trotz Telefon und Fax blieb der Prozess langsam, teuer und ungenau.


3. Die Videotext-Generation (1985–2005)

Hier beginnt die typische „Boomer-Erinnerung“.

  • ARD und ZDF-Videotext (Seiten 760–769) zeigten DAX- und Dow-Jones-Kurse.
  • Die Kurse aktualisierten sich alle paar Minuten.
  • Es gab keine Charts, keine Ordertiefe, nur eine Zahlenspalte.
  • Die Orderaufgabe lief weiter telefonisch oder über die Bank.

Für damalige Verhältnisse war Videotext ein Fortschritt: Man hatte Kursinformationen direkt im Wohnzimmer – wenn auch mit Verzögerung.


4. BTX und die ersten Onlinebroker (1995–2005)

Mit BTX (Bildschirmtext) und den ersten Internetbörsen begann eine neue Phase.

  • BTX ermöglichte digitale Kursabfragen – langsam, aber neu.
  • Erste Onlinebroker wie comdirect, Consors und die DAB Bank ermöglichten eigenständige Orderaufgaben.
  • Limit- und Market-Orders wurden erstmals online eingegeben.
  • Gebühren lagen meist bei 20–30 Euro pro Order.
  • Realtime-Kurse waren oft kostenpflichtig oder 15 Minuten verzögert.

Zum ersten Mal konnten Privatanleger ohne Filialbesuch handeln.


5. Desktop-Trading und Realtime-Daten (2005–2015)

Der Börsenhandel professionalisierte sich.

  • Plattformen wie Guidants, TeleTrader und GodmodeTrader boten Chartanalyse und Realtime-Kurse.
  • Orderbuchdaten wurden verfügbar.
  • Daytrading-Communities entstanden.
  • Direktbanken behielten noch immer hohe Orderkosten (9,90–29,90 Euro pro Order), aber die Tools wurden deutlich besser.

Diese Phase war die Brücke zwischen klassischer Bankwelt und moderner Trading-Infrastruktur.


6. Die IBKR-/CapTrader-Ära (ab 2010)

Mit Interactive Brokers und deutschen Resellern wie CapTrader änderte sich alles.

  • Zugang zu US-Börsen in Millisekunden.
  • Sehr niedrige Gebühren (0,35 USD pro Order).
  • SmartRouting für optimale Ausführung.
  • Algorithmische Ordertypen, wie man sie früher nur institutionell kannte.
  • Globale Märkte aus einer einzigen Plattform.

Privatanleger erhielten plötzlich Werkzeuge auf professionellem Niveau.


7. Moderne Algo-Ordertypen (2015–2025)

Hier beginnt das, was Opa sich nicht vorstellen konnte.

Beispiel MidPrice-Order:

  • Die Order setzt automatisch ein dynamisches Limit am fairen Mittelpreis zwischen Bid und Ask.
  • Sie passt sich in Echtzeit dem Spread an.
  • Sie schützt vor Slippage.
  • Sie füllt oft zu besseren Preisen als ein klassisches Limit.
  • Sie funktioniert wie ein kleiner Algorithmus, der für den Privatanleger arbeitet.

Früher gab es nur:
„Bitte 20 Siemens kaufen.“

Heute gibt es:
„MidPrice, 5.000 Euro, Swipe to buy.“


8. Heute: Börse im Smartphone

Der Unterschied ist enorm.

Früher:

  • Kurslisten im Schaufenster
  • Telefonorder
  • Papierbelege
  • 30–150 Euro Gebühren
  • Verzögerte Informationen
  • Nur Market oder Limit-Orders

Heute:

  • Algorithmische Ordertypen
  • MidPrice
  • SmartRouting
  • Ausführung in Sekunden
  • 0,35 USD pro Order
  • Echtzeitdaten
  • globale Märkte im Smartphone
  • beliebig viele kleine Tranchen möglich

Der Börsenhandel ist heute demokratisiert und technisch auf einem Niveau, das früher ausschließlich professionellen Händlern vorbehalten war.