Value Investing und die blinde Stelle gegenüber Bitcoin

Value Investing feiert ein Comeback. Steigende Zinsen, geopolitische Spannungen und das Ende billigen Geldes rücken wieder jene Kriterien in den Vordergrund, die Warren Buffett seit Jahrzehnten predigt: solide Bilanzen, verlässliche Cashflows, realistische Bewertungen. Anleger suchen Stabilität und meiden überhitzte Wachstumsfantasien.

Doch in dieser Rückkehr zu den Fundamentaldaten steckt eine blinde Stelle. Buffett selbst bleibt seiner Haltung treu und ignoriert Bitcoin konsequent. Für klassische Value-Investoren gilt Bitcoin als Spekulation, nicht als Wertanlage. Dieses Urteil basiert auf der alten Prämisse, dass „Wert“ nur im Rahmen traditioneller Geschäftsmodelle entsteht – durch Produktionsketten, Gewinne, Dividenden.

Bitcoin stellt dieses Paradigma infrage. Es erzeugt keinen Cashflow, aber es verkörpert Knappheit, Unabhängigkeit und ein global verteiltes Netzwerk ohne zentrale Instanz. Sein Wert liegt nicht in Ausschüttungen, sondern in seiner Funktion als härtestes verfügbares Geld. In einer Welt, in der Währungen schleichend entwertet werden und Verschuldungssysteme an ihre Grenzen stoßen, gewinnt diese Perspektive an Relevanz.

Die Frage ist daher nicht, ob Value Investing wiederkehrt – es war nie wirklich weg. Die Frage lautet, ob Value-Investoren den eigentlichen Strukturbruch erkennen. Wer Bitcoin weiterhin ausblendet, riskiert, langfristig nur die Hälfte der Realität zu sehen: die stabilen Unternehmen im alten System, aber nicht das Fundament des neuen.

Buffett ist 95 Jahre alt, Charlie Munger bereits verstorben. Berkshire Hathaway verkörpert in vielem die alte Schule der Kapitalallokation – diszipliniert, erfolgreich, aber auch unbeweglich. Die Gefahr besteht darin, dass diese Starrheit in einer neuen monetären Ära nicht mehr als Standfestigkeit, sondern als Blindheit gedeutet wird.

Für Anleger ergibt sich daraus eine klare Empfehlung: Value Investing behält seine Berechtigung, doch wer echte Diversifikation will, kommt an Bitcoin nicht vorbei. Die Kombination aus robusten Unternehmen im alten System und einem Anteil am neuen Geldsystem könnte den Unterschied machen zwischen stabiler Rendite und strukturellem Rückstand.