Steht der Euro am Abgrund?
In den letzten Monaten mehren sich die Stimmen, die dem Euro ein baldiges Ende vorhersagen. Vor allem Frankreich sorgt mit steigenden Defiziten, politischen Krisen und massiven Protesten für Schlagzeilen. Doch wie ernst ist die Lage tatsächlich? Ein Blick auf Zahlen und Fakten hilft, zwischen Panik und Realität zu unterscheiden.
Frankreich im Fokus
Frankreichs Probleme sind nicht neu:
- dauerhaft hohe Haushaltsdefizite
- gescheiterte Reformen
- instabile Regierungen
Anders als Griechenland in der Eurokrise ist Frankreich jedoch systemisch viel bedeutender. Ein entscheidender Frühindikator ist hier der Zinsspread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen. Erst wenn dieser dauerhaft über 120 Basispunkten liegt und gleichzeitig schwache Anleiheauktionen sowie Rating-Abstufungen auftreten, wäre die Lage wirklich kritisch. Davon sind wir momentan entfernt.
Was die Märkte signalisieren
- Kurzfristige Zinsen sinken, da die EZB über Leitzinsen direkten Einfluss hat.
- Langfristige Zinsen steigen hingegen, weil die EZB seit 2023 ihre Anleihekäufe zurückgefahren hat. Die Preisbildung wird wieder stärker dem Markt überlassen.
- Folge: Langfristige Refinanzierungen für Staaten, Unternehmen und Immobilien werden teurer.
Hinzu kommen Rüstungsausgaben von inzwischen etwa fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese schaffen keine produktiven Erträge, erhöhen aber die Zinslast – und verschärfen damit den Konsolidierungsdruck.
Staatsquote: nicht allein entscheidend
Häufig wird argumentiert, dass eine Staatsquote von über 50 % ein Land untragfähig macht. Die Realität ist differenzierter:
- Länder wie Frankreich oder die skandinavischen Staaten können trotz hoher Staatsquote stabil bleiben, wenn Einnahmenbasis und Refinanzierung gesichert sind.
- Umgekehrt können Länder mit niedriger Staatsquote scheitern, wenn etwa die Steuerbasis wegbricht oder hohe Fremdwährungsschulden bestehen.
Es ist also nicht die Quote selbst, die ein Land in die Pleite treibt, sondern eine ungesunde Schuldendynamik und der Verlust des Marktzugangs.
Der schleichende Kaufkraftverlust
Seit der Euro 1999 als Buchgeld eingeführt wurde, hat er massiv an Kaufkraft eingebüßt:
- Gold stieg von 289 € auf über 3.100 € je Unze – ein Verlust von rund 90 %.
- Der S&P 500 legte um den Faktor 3,8 zu – ein Verlust von etwa 75 %.
- Bitcoin entwertete den Euro nahezu vollständig.
Damit zeigt sich: Der Euro folgt wie alle Fiat-Währungen dem Muster langfristiger Abwertung.
Historische Einordnung
Ungedeckte Währungen überleben historisch im Schnitt 30–40 Jahre.
- Der Euro befindet sich im 26. Jahr seines Bestehens.
- Andere Beispiele: brasilianischer Real (31 Jahre), mexikanischer Peso (32 Jahre), russischer Rubel (33 Jahre).
- Langlebiger sind Systeme wie der britische Pfund oder der japanische Yen – teils seit über 90 Jahren im Umlauf.
Ein plötzlicher Kollaps ist also unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist ein schleichender Wertverlust über Jahre und Jahrzehnte.
Praktische Konsequenzen für Anleger
- Euro nur als Reserve halten: ein Notgroschen für 3–12 Monatsausgaben, abhängig von Lebenssituation und Risikoprofil.
- Sparen im Euro lohnt nicht: da Inflation gewollt ist und reale Renditen negativ bleiben.
- Investieren in knappe Güter: historisch bieten Aktien, Gold und inzwischen auch Bitcoin den besten Schutz vor Kaufkraftverlust.
- Warnsignal im Blick behalten: Ein dauerhaft hoher Spread französischer Anleihen gegenüber deutschen wäre ein mögliches Krisenzeichen.
Fazit
Der Euro wird nicht über Nacht kollabieren. Doch er verliert, wie jede Fiat-Währung, langfristig an Kaufkraft – bislang bereits über 80 % in nur 26 Jahren. Die entscheidende Frage lautet daher nicht, ob der Euro scheitert, sondern wann und in welchem Tempo. Für Bürger und Anleger bedeutet das: Liquidität im Euro nur für den Alltag und unvorhersehbare Ereignisse vorhalten – Vermögensaufbau hingegen in Sachwerten betreiben.