Die letzte Überraschung von Berkshire

Die letzte Überraschung von Berkshire

Buffett verabschiedet sich – Berkshire 2.0 beginnt

Warren Buffett hat seinen Aktionären über Jahrzehnte beigebracht, langfristig zu denken, Burggräben zu suchen und Risiken zu meiden, die man nicht versteht. Doch während die Börsenwelt sich radikal verändert hat, blieb Berkshire Hathaway überraschend konstant. Versicherungen, Energie, Banken, Konsum – das war die alte Welt, die Buffett meisterhaft beherrschte.

Im Herbst 2025 ist nun etwas passiert, das viele Beobachter so nicht erwartet hätten: Berkshire hat eine erste, spürbare Position in Alphabet aufgebaut. Für Buffett-Kenner ist das eine kleine Sensation – nicht wegen der Summe, sondern wegen der Bedeutung. Die meisten Zeichen deuten darauf hin, dass dies nicht mehr die Handschrift Buffetts trägt. Es ist das Eröffnungsmanöver von Berkshire 2.0.


War der Alphabet-Kauf wirklich Buffett?

Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Aus mehreren Gründen.

Erstens eröffnet Buffett seit Jahren kaum noch neue Positionen. Seine letzten großen Entscheidungen waren Bankverkäufe, der Aufbau von Occidental Petroleum und klassische Value-Nachkäufe. Alles, was nach Technologie oder Plattformökonomie riecht, überlässt er seit langem seinen Managern.

Zweitens passt Alphabet perfekt zum Stil von Todd Combs und Ted Weschler. Beide haben bereits die Apple-Position angestoßen, die später zum größten Erfolg der jüngeren Berkshire-Geschichte wurde. Die Positionsgröße in Alphabet – rund 1,6 Prozent des Portfolios – entspricht genau der Art, wie die beiden üblicherweise Positionen aufbauen: nicht zu groß, nicht zu klein, aber mit Option auf Ausbau.

Drittens hat Buffett selbst öffentlich mehrfach betont, dass Greg Abel die Kapitalallokation übernimmt, sobald er sich zurückzieht. In der Praxis passiert das längst. Buffett ist noch da, aber er führt nicht mehr jede Anlageentscheidung. Berkshire bewegt sich bereits unter neuer Handschrift.

Der Alphabet-Einstieg ist damit vermutlich die erste sichtbare Entscheidung der Nachfolger. Und er markiert einen Stilwechsel.


Buffetts Abschied beginnt leise – aber sichtbar

Es wäre falsch zu sagen, Buffett geht plötzlich. Er verabschiedet sich nicht mit Knall, sondern durch allmähliche Übergabe. Die Realität ist: Berkshire hat sich bereits auf die Ära nach Buffett eingestellt.

Die Märkte realisieren es nur noch nicht vollständig.

Dass ausgerechnet jetzt eine große Tech-Position auftaucht, ist kein Zufall. Es ist ein Zeichen dafür, dass Berkshire in der nächsten Generation nicht mehr nur Old-Economy-Festungen kaufen wird, sondern auch die Unternehmen, die unsere Infrastruktur von heute und morgen prägen.

Alphabet ist genau das: ein Cashflow-Monopolist, global, diversifiziert, tief verankert in Werbung, KI, Cloud, Daten und Informationsverarbeitung. Es ist kein spekulativer Techwert, sondern eine moderne Infrastrukturfirma.

Was Apple 2016 war, könnte Alphabet 2025 sein: der symbolische Startpunkt einer neuen Phase.


Berkshire 2.0: Vom Industrie-Imperium zum Plattform-Value-Investor

Unter Buffett war Berkshire vor allem eines: eine Sammlung extrem stabiler, hochprofitabler Geschäftsmodelle. Versicherungen, Eisenbahn, Energie, Konsumgüter. Alles greifbar, berechenbar, historisch gewachsen.

Berkshire 2.0 wird nicht alles neu machen, aber den Rahmen erweitern. Die neue Generation um Greg Abel kombiniert:

  • klassische Versicherungs- und Industrie-Cashflows
  • moderne Plattformunternehmen mit globaler Skalierung
  • Technologieunternehmen, deren Geschäftsmodelle durch Netzwerkeffekte geschützt sind
  • Opportunitätskäufe, die Buffett so nie erwogen hätte

Der Alphabet-Deal ist die erste sichtbare Manifestation dieser neuen Strategie. Keine Revolution, aber eine Richtungsverschiebung.


Warum dieser Schritt so entscheidend ist

Der Kauf ist weniger finanziell als kulturell bedeutend. Es ist die Botschaft: Berkshire bewegt sich weiter. Berkshire bleibt nicht im Jahr 1985 stehen. Die Nachfolger wagen das, was Buffett aus Erfahrung und Vorsicht oft vermieden hat.

Alphabet steht für:

  • eine neue Anlagephilosophie
  • ein progressiveres Risikoverständnis
  • das Eingeständnis, dass Tech nicht mehr optional ist
  • die Bereitschaft, strategische Veränderungen umzusetzen

Damit endet die Buffett-Ära nicht abrupt, sondern geht organisch in Berkshire 2.0 über.


Die letzte Überraschung

Buffett verabschiedet sich nicht mit einem großen Knall, sondern mit der vielleicht wichtigsten Botschaft seiner gesamten Karriere: Berkshire darf sich verändern, auch wenn er selbst es nicht mehr tut.

Wenn der Alphabet-Kauf tatsächlich die Handschrift von Greg Abel, Todd Combs und Ted Weschler trägt, dann könnte er auch rückblickend als Buffets letzte Überraschung gelten – die indirekte Erlaubnis, Berkshire in die Zukunft zu führen.

Buffett bleibt das Fundament. Doch der nächste Zyklus hat begonnen.


Fazit

Der Alphabet-Einstieg ist kein Zufall und vermutlich kein Buffett. Er ist der erste Baustein einer neuen Strategie. Berkshire 2.0 wird moderner, technologieoffener, diversifizierter und gleichzeitig weiterhin stabil durch die alten Kernbereiche.

Es ist der Moment, in dem sich die Berkshire-Story neu schreibt.

Und vielleicht wird man später sagen:
Der stille Alphabet-Kauf war der Moment, in dem Buffett sich verabschiedete – und die nächste Generation das Ruder endgültig übernahm.