Arbeiten lohnt sich nicht? Ein Dossier über Deutschlands Sozialstaat
Stell dir vor: Michael, IT-Fachmann, Mitte 40, verheiratet, drei Kinder. Sein Gehalt: 80.000 Euro im Jahr. Jeden Morgen pendelt er zur Arbeit, trägt Verantwortung für Projekte, checkt E-Mails spät abends. Die Steuern, die Krankenversicherung, die Kinderbetreuung – alles geht von seinem Einkommen ab.
Und dann die Überraschung: Am Ende des Monats hat Michael effektiv weniger zur Verfügung als eine Hartz-IV-Familie mit drei Kindern, die ihre Leistungen voll ausschöpft – inklusive bezahlter Miete, Kindergeld, kostenloser Krankenversicherung, Zugang zu Tafeln und Sondervergünstigungen.
Dieses Paradox ist kein Einzelfall. Es ist ein Symptom eines Systems, das rationale Entscheidungen belohnt, die auf Nicht-Leistung beruhen. Wer sich aus der Abhängigkeit befreit, verliert finanzielle Sicherheit und soziale Vorteile. Rational betrachtet lohnt sich der Weg in die Eigenverantwortung kaum.
Das Hartz-IV-Paradox – Zahlen im Vergleich (Hamburg)
Michael (IT-Fachmann):
- Brutto-Monat: 6.667 €
- Abzüge (Steuern, Sozialversicherung): ca. 2.500–2.700 €
- Netto: 4.000–4.200 €
- Kindergeld: 3 Kinder × 255 € = 765 €
- Netto inkl. Kindergeld: 4.765–4.965 €
- Abzüge real: Miete 1.500 €, Kinderbetreuung 300 €
- Verfügbar nach Kosten: ca. 2.965–3.165 €
Hartz-IV-Familie mit drei Kindern:
- Regelsatz + Kindergeld: 2.296 + 765 = 3.061 €
- Miete + Nebenkosten (5-Zimmer-Wohnung in Hamburg, vom Staat übernommen): 1.900 €
- Krankenversicherung kostenlos
- Vergünstigungen / Tafel: 300 €
- Effektives Einkommen inkl. Sachleistungen: 3.361–3.461 €
Selbst nach realistischen Hamburger Mietkosten liegt die Hartz-IV-Familie leicht über dem IT-Fachmann, obwohl sie keine Erwerbstätigkeit hat.
Das System, das Abhängigkeit erzeugt
Hinter diesem Paradox steckt ein System: Sozialarbeiter, Tafeln, Ämter, Sozialkassen – eine ganze Industrie hängt davon ab, dass Menschen abhängig bleiben. Eigenständige Bürger sind unbequem – nicht, weil sie weniger Steuern zahlen, sondern weil sie das System umgehen, weniger staatliche Leistungen beanspruchen und so die „Stammkunden“ der sozialen Industrie entziehen.
Politiker profitieren davon: Diäten, Status, Annehmlichkeiten. Warum also das System ändern? Konflikte vermeiden, Abhängigkeit stabilisieren, Macht sichern.
Das Paradox des Staates
Eigentlich müsste der Staat Eigeninitiative fördern. Doch Deutschland, wie viele moderne Staaten, denkt anders. Das System sieht den Staat nicht primär als Einnahmenmaschine, sondern als selbstorganisierende Wesenheit.
- Geld der Steuerzahler reicht ohnehin nie aus – auch bei Vollbeschäftigung nicht.
- Der Staat finanziert sich zu einem großen Teil über Verschuldung, nutzt seine gute Bonität, schafft Sondervermögen, leiht sich Milliarden.
- Deshalb ist es dem System fast egal, wie viele Leute aktiv Steuern zahlen, solange die Strukturen stabil bleiben und kein finanzieller Kipppunkt erreicht wird.
Der Staat funktioniert wie ein selbsterhaltendes Konstrukt: Eigenständige Bürger stören das Gleichgewicht, bedrohen aber nicht die Existenz. Andere „Wesen“ – Parteien, Sozialindustrie – ziehen Energie aus den Strukturen. Wer unabhängig handelt, ist unbequem, aber unvermeidlich.
Kontrast Schweiz: Eigenverantwortung zahlt sich aus
Während Deutschland Abhängigkeit belohnt, fördert die Schweiz Eigeninitiative:
- Private Altersvorsorge wird steuerlich begünstigt
- Aktienvermögen wird nicht mit Abgeltungssteuer belastet
- Jahrzehntelanges Investieren kann zu hunderttausenden Euro im Ruhestand führen
Bürger werden zu selbstbestimmten Akteuren, nicht zu staatlich abhängigen Empfängern.
Skandinavien zieht die Schrauben an
Die Länder, die lange als Vorbilder für Sozialstaatlichkeit galten, ziehen die Leistungen zusammen. Die Kosten steigen, die Systeme sind nicht mehr tragbar. Vielleicht ein Hinweis, wohin Deutschland steuert, wenn das System nicht reformiert wird.
Das stille Dilemma Deutschlands
Deutschland war einst ein Industrieland, in dem Leistung sich lohnte. Heute: Substanz wird verfrühstückt, Firmen wandern ins Ausland, DAX und Börsencharts sagen nichts über die reale Wirtschaftskraft. Eigeninitiative wird entwertet, Abhängigkeit institutionalisiert.
Die Illusion des DAX
Viele schauen auf den DAX und denken: „Deutschland boomt, alles gut.“ Aber das ist eine Illusion.
Viele große deutsche Unternehmen verkaufen ihre Produkte weltweit, bauen Fabriken im Ausland und verlagern Produktion dorthin, wo es wirtschaftlich sinnvoller ist. BASF überlegt zum Beispiel, eine Fabrik in China aufzubauen, weil es in Deutschland nicht mehr lohnt. Volkswagen, Siemens und viele andere folgen ähnlichen Strategien.
Die Folge: Deutsche Arbeitsplätze – oft gut bezahlt – gehen verloren. Ein Bandarbeiter bei Volkswagen konnte früher leicht 5.000–6.000 € brutto verdienen, inklusive Zuschlägen. Solche Jobs werden heute immer seltener, weil sich die Produktion im Inland für die Firmen nicht mehr rechnet.
Die Börse mag steigen, der DAX mag Höchststände erreichen – doch das sagt nichts über die reale wirtschaftliche Substanz in Deutschland aus. Es ist ein globales Geschäft, das nur zum Teil noch in Deutschland stattfindet. Sonnejobs, Industriearbeitsplätze, gut bezahlte handwerkliche Stellen – sie werden weniger, weil sie sich für die Unternehmen nicht mehr lohnen.
Deutschland produziert weiterhin Werte – aber die Arbeitsplätze, die einst die Mittelschicht stützten, schwinden. Eigeninitiative, Industrie und handwerkliches Können werden zunehmend entwertet, während der Staat das System stabil hält.